Presse
Aktuelles

Schadenersatz beim Diebstahl von Produktfotos

01.12.2014

veröffentlicht in Profifoto – Magazin für professionelle Fotografie – 12/2014

Versandhändler und Betreiber von Internetshops bewerben ihre Angebote regelmäßig mit Produktfotos. Diese Fotos werden gerne von privaten wie gewerblichen Verkäufern auf Auktionsplattformen wie z.B. eBay geklaut, um damit das eigene Angebot zu bebildern. Oft ist ihnen dabei nicht bewusst, dass sie sich durch einen solchen Foto-Diebstahl schadenersatzpflichtig machen.

Der Einkauf im Internet erfreut sich bei Verbrauchern zunehmender Beliebtheit. Die Abbildung des jeweiligen Produkts wird dabei als Selbstverständlichkeit vom Online-Shopper erwartet. Schließlich will er sich vorstellen, wie das Erzeugnis aussieht, bevor er es bestellt.

Um diese Erwartung zu erfüllen illustrieren Online-Shop-Betreiber ihre Angebote mit fremd- oder selbstgefertigten mehr oder weniger aufwändig gestalteten Produktfotos. Nicht selten bieten private wie gewerbliche Verkäufer auf Auktionsplattformen wie eBay – aber auch jenseits davon – identische Artikel an. Auch diese Angebote wollen mit Bildern versehen sein. Anstatt selbst zur Digitalkamera zu greifen, einen Schnappschuss der Ware zu schießen und diesen hochzuladen, entscheidet sich eine Vielzahl dieser Anbieter lieber für die bequemere und nicht zuletzt auch professioneller aussehende Variante: es wird nach einem Produktfoto, das die Ware identisch wiedergibt, im Internet gesucht und sodann per „copy&paste“ in das eigene Angebot eingesetzt. Den meisten ist dabei nicht bewusst, dass dieser „Foto-Diebstahl“ eine Urheberrechtsverletzung ist, die Schadenersatzansprüche des Fotografen nach sich zieht.

Eine Vielzahl derartiger Fälle landet bei den Gerichten. Diese haben sodann u.a. über die Höhe des Schadenersatzes zu entscheiden. Wenn es um die Schätzung des zu ermittelnden Schadenersatzes bei einer nicht lizensierten Bildnutzung geht, greifen die Gerichte gerne auf die Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Empfehlungen) zurück.

Es handelt sich um Bildhonorartabellen, die jährlich aktualisiert und neu herausgegeben werden. Sie werden standartmäßig als in der Branche der Bildagenturen und freien Berufsfotografen übliche Regelung der Lizenzsätze für die gewerbliche Nutzung von Lichtbildern genutzt. Die MFM-Empfehlungen wurden speziell für professionelle Fotografen entwickelt, die mit großem Aufwand, neuester Technik, detaillierter Ausleuchtung, künstlerischer Anordnung und Fertigkeit hochwertige Fotos herstellen. Die MFM-Empfehlungen weisen Vergütungen für die Überlassung von Bildnutzungsrechten in vielen verschiedenen Medien aus. Die Lizenzgebühr für die Nutzung eines Fotos wird dabei nach den Grundparametern Nutzungsart, Nutzungsumfang und Verbreitung ermittelt. In das ermittelte Grundhonorar können zusätzlich noch generelle und medienspezifische Zuschläge bzw. Nachlässe einfließen, aus deren Summe sich dann eine Gesamtvergütung für die jeweilige Nutzung ergibt.

In der Vergangenheit hatte eine Vielzahl der Gerichte beim o.g. Sachverhalt die MFM-Empfehlungen undifferenziert und pauschal angewendet.

In der neueren Rechtsprechung zeichnet sich eine abgestufte Entscheidungspraxis ab, die eine schemenhafte Anwendung der MFM-Empfehlungen ablehnt.

Bereits vor einigen Jahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 06.10.2005, Az. I ZR 266/02) entschieden, dass es grundsätzlich naheliegend sei, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife wie die MFM-Empfehlungen als Maßstab heranzuziehen, wenn sich eine solche Übung herausgebildet hat.

Jedoch müsse bei deren Anwendbarkeit geprüft werden, ob sie auch unter den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls heranzuziehen seien.

Daraufhin lehnte das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig (Urteil v. 08.02.2012, Az. 2 U 7/11) die Anwendbarkeit der MFM-Empfehlungen in Fällen einer Nutzung durch einen privaten eBay-Verkäufer ab, da die Tabellen eine Vergütung für die Nutzung von Produktfotos für einen solchen privaten eBay-Verkauf nicht vorsähen. Schließlich erstreckten sich die MFM-Empfehlungen ausschließlich auf gewerbliche Anbieter und gewerblich Nutzer und bildeten nicht die Honorare für eine einmalige private Fotonutzung bei einem privaten eBay-Verkauf ab.

Die sodann folgende Rechtsprechung der Gerichte (z.B. LG Düsseldorf, v. 24.10.2012, Az, 23 S 386/11; LG Köln v. 27.05.2014, 14 S 38/13) und Obergerichte (z.B. OLG München v. 05.12.2013, Az. 6 U 14448/13; OLG Hamm v. 13.02.2014, Az. 22 U 98/13) erkennt die MFM-Empfehlungen zwar grundsätzlich als Schätzgrundlage an, um sodann ausgehend von ihnen eine Korrektur in Form eines Abschlags vorzunehmen. Dieser hat sich an den individuellen Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Bei der Höhe des Abschlags stellen die Gerichte vielfach auf die Qualität des Fotos ab. Sie prüfen, ob diese an das Niveau einer professionell erstellten Aufnahme heranreicht (oder eher ein „Schnappschuss“ ist), ob sie aufwändig in einem eigenen Fotostudio erstellt wurde und ob mit dem Foto entsprechende Preise auf dem Markt hätten erzielt werden können.

Bei der fehlenden Benennung des Fotografen als Urheber sehen die MFM-Empfehlungen zusätzlich noch einen Aufschlag von 100% vor, der in derartigen Fällen zusätzlich zur ermittelten Honorierung zu gewähren ist. Dieser Aufschlag stellt auf die gesetzliche Regelung des § 13 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ab, wonach der Urheber ein Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk hat.

Hier tendieren die Gerichte dazu, diesen Aufschlag zu kürzen bzw. teilweise ganz zu versagen. Als Begründung stellen sie ebenfalls auf die Qualität des Fotos ab. Je näher diese an die eines von einem professionellen Fotografen erstellten Fotos heranreicht, umso größer das Interesse des Lichtbildners auch namentlich genannt zu werden und den Aufschlag zu erhalten. Denn je mehr ein Bild in seiner Qualität herausragt, umso eher dient es seinem Urheber zu Referenz- und Werbezwecken. Bei Amateur- und semi-professionellen Fotografen von Produktfotos dürfte nach Ansicht der Gerichte aber gerade dieser Aspekt weniger im Vordergrund stehen, als der vielmehr das Interesse am Verkauf des Produkts selbst.

Als Fazit kann aus der aktuellen Rechtsprechung gefolgert werden: Die MFM-Empfehlungen dienen Gerichten zwar nach wie vor als Schätzgrundlage für die Ermittlung eines angemessenen Schadenersatzes. Jedoch werden sie nicht schematisch übernommen. Vielmehr werden alle individuellen Umstände des Einzelfalls zur berücksichtigen sein. Ein Fotograf, der nicht Berufsfotograf  ist und eine von ihm nicht genehmigte Nutzung seines Produktfotos entdeckt, wird sich daher bei der Geltendmachung der Schadenersatzhöhe nicht uneingeschränkt und ohne Abschlag auf die MFM-Empfehlungen stützen können. Vielmehr wird er möglichst detailliert zum Arbeitsaufwand und zur Qualität des angefertigten Fotos vortragen müssen, um den Abschlag auf die als Schätzgrundlage dienenden MFM-Empfehlungen möglichst gering zu halten.

Übersicht