01.09.2015
veröffentlicht in Profifoto – Magazin für professionelle Fotografie – 9/2015
Posten, teilen, liken ist die täglich gelebte Leidenschaft der Social-Media-Gemeinde. Insbesondere das Teilen von Videos ist auf Facebook beliebt, um dort andere User zu erheitern. Auch die eigene Homepage wird gern mit Videos geschmückt, um dem Betrachter weitere anschauliche Informationen zu liefern. Nicht selten stammen diese Filme aus einer fremden Quelle. Technisch erfolgt dieser Vorgang in der Regel durch sog. „Framing“. Ob aber dieses „Framing“ urheberrechtlich zulässig und was dabei zu beachten ist, hat kürzlich erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil (vom 09.07.2015, Az. I ZR 46/12) entschieden.
Hintergrund des Urteils ist ein Rechtsstreit mit folgendem Sachverhalt: Ein Hersteller für Wasserfiltersysteme hatte zu Werbezwecken einen zweiminütigen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen und sich das ausschließliche Nutzungsrecht daran einräumen lassen, um ihn dann auf seiner Internetseite zu publizieren. Der Film veranschaulicht die weltweite Wasserverschmutzung.
Zwei selbständige Handelsvertreter, die für ein Konkurrenzunternehmen tätig waren, betrieben jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte warben. Durch ein sog. „Frame“ betteten sie den Film „Die Realität“ auf ihre Homepage ein. Durch einen Klick auf einen Link wurde dann das Video vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf der Webseite erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.
„frame“ bedeutet übersetzt so viel wie „Einrahmung“. In diesen „Frame“ werden – technisch vereinfacht gesagt – durch einen Link fremde Inhalte, wie z.B. ein Video, in die eigene Internetseite eingebunden, ohne dass das Video selbst auf die eigenen Internetseite hochgeladen und gespeichert werden muss. Das Video seinerseits liegt auf einer anderen Plattform und wird durch das Anklicken des Links abgerufen. Es wird also ein fremder Inhalt abgespielt, ohne dass dies für den Betrachter so ohne weiteres wahrnehmbar ist. Denn der Betrachter bleibt auf der aufgerufenen Internetseite, ohne diese verlassen oder zu ihr zurück klicken zu müssen. Wird allerdings der fremde Content gelöscht, kann es auch nicht mehr über die Verlinkung abgerufen werden.
Der Wasserfilterhersteller sah in der Verlinkung, die die Handelsvertreter vorgenommen hatten, eine Urheberrechtsverletzung und verklagte die beiden. Zudem behauptete er, das Video sei ohne sein Einverständnis bei YouTube eingestellt worden. Aus seiner Perspektive zunächst eine nachvollziehbare Reaktion. Denn rechtlich betrachtet haben zunächst die Urheber des Films das Recht zu entscheiden, ob überhaupt, wie und von wem ihr Film verwertet wird, so z.B. auch, ob ihr Film ins Internet gestellt werden darf. Diese Verwertungsrechte können sie Dritten zur Nutzung einräumen. So geschehen im vorliegenden Fall: Der Wasserfilterhersteller hatte das Video in Auftrag gegeben und bezahlt. Zudem hatte er sich von den Filmurhebern das exklusive Nutzungsrecht einräumen lassen, womit er sichergestellt wissen wollte, dass ausschließlich er das Video zur Bewerbung des eigenen Unternehmens nutzen durfte. Schließlich hatte er einige Investitionen getätigt und wollte davon allein profitieren – andere eben nicht an diesem eigens für ihn kreierten Film partizipieren lassen. Gerade deshalb sah der Wasserfilterhersteller sich auch durch die sodann folgende Verlinkung des Films über ein „Frame“ auf den Internetseiten der Handelsvertreter in dem ihm exklusiv zustehenden Recht, den Film im Internet öffentlichen zugänglich machen zu dürfen (§19a UrhG), verletzt.
Dem gegenüber standen die beiden Beklagten, die sich durch das von ihnen veranlasste „Framing“ keines Unrechts bewusst gewesen sein dürften. Schließlich wird das „framen“ von fremden Videos unter Social-Media-Anhängern durch „Teilen“ eines Beitrags auf Facebook täglich millionenfach praktiziert.
Der Fall beschäftigte sodann mehrere Instanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die von den Gerichten zu entscheidende rechtliche Frage war, ob derjenige, der einen solchen „frame“ setzt und hierdurch fremde, urheberrechtlich geschützte Inhalte auf seiner eigenen Homepage oder auch in sozialen Netzwerken wie z.B. bei Facebook einbettet, eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19 a UrhG und damit eine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn diese Inhalte bereits irgendwo anders im Netz öffentlich zugänglich gemacht wurden.
Von den verschiedenen Instanzen wurde dies unterschiedlich bewertet:
Das Landgericht München bejahte eine Urheberrechtsverletzung. In der Berufungsinstanz hingegen wies das Oberlandesgericht (OLG) München im Februar 2012 die Klage ab, da das „Framing“ seiner Ansicht nach keine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des Urheberrechts (§ 19a UrhG) darstelle. Sodann beschäftigte sich ab Mai 2013 der BGH in einem Revisionsverfahren mit dem Fall, setzte es aber zunächst aus und legte dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung vor. Da das Urheberrecht innerhalb der EU weitestgehend harmonisiert ist und um zu gewährleisten, dass auch eine EU-weit einheitliche Auslegung des Rechts erfolgt, muss der EuGH bei streitigen Rechtsfragen in solchen Vorlagenverfahren entscheiden.
In diesem Fall wollte der BGH geklärt wissen, ob das „Framing“ eines fremden Werkes möglicherweise ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe der EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) verletzt. Dies verneinte der EuGH mit seiner „BestWater“-Entscheidung (vom 21. 10.2014, C-348/13) für den Fall, dass sich die Wiedergabehandlung desselben technischen Mittels bediene wie die ursprüngliche Wiedergabe und darüber hinaus kein neues Publikum erschlossen werde. Gleichzeitig führte er aus, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolge, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliege.
Daraufhin urteilte der BGH nun, dass das „Framing“ fremder Inhalte, die anhand eines Links auf eine andere Webseite wie im konkreten Fall zu einem YouTube-Video zeigten, dann keine Urheberrechtsverletzung darstelle, wenn der geschützte Inhalt mit Zustimmung des Rechteinhabers im Internet für alle zugänglich ist. Weil der Wasserfilterhersteller hier aber bestritt, dass das Video ohne seine Zustimmung auf YouTube eingestellt worden war, muss sich nun das OLG München erneut mit der Sache befassen und diese Frage klären.
Der BGH hält demnach „Framing“ nur dann für zulässig, wenn der fremde Content aus einer legalen Quelle stammt. In der Praxis dürfte genau dies jedoch zu erheblichen Problemen führen: Denn bei ihrer konsequenten Anwendung bedeutet dies für jeden gewissenhaften User, dass er – bevor er überhaupt ein Video z.B. auf Facebook teilt – zunächst zu prüfen hat, ob dieses Video bei YouTube mit dem Einverständnis des Rechteinhabers hochgeladen wurde.
Da man nicht nur Filme, sondern auch Fotos oder Texte „framen“ kann, gilt diese Entscheidung auch für alle Bilder und urheberrechtlich geschützten Texte.
Zu beachten ist zudem, dass „framen“ technisch und rechtlich vom „copy and paste“ von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu unterscheiden ist. Denn wer urheberrechtlich geschützte Werke ohne die Erlaubnis des Urhebers kopiert und sodann auf seiner eigenen Internetseite hochläd, der begeht eine Urheberrechtsverletzung. Schließlich sind diese Kopie und deren Verbreitung im Internet eine rechtswidrige Vervielfältigung. In diesen Fällen droht eine Abmahnung, die insbesondere Schadenersatzforderungen des Urhebers nach sich ziehen kann.