01.11.2013
veröffentlicht in Profifoto – Magazin für professionelle Fotografie – 11/2013:
Körperschmuck in Form von aufwändigen, detailverliebten Tattoos ist inzwischen weit verbreitet. Originelle und individuelle Motive erstrecken sich mitunter über ganze Körperteile. Sogar Agenturen, die tätowierte Modelle vermitteln, haben ihren Platz am Markt gefunden. Für Fotografen und Mediengestalter stellt sich jedoch die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz von Tätowierungen sowie der rechtlichen Zulässigkeit, wenn diese fotografiert und damit vervielfältigt werden. In den USA haben schon mehrfach Tattoo-Künstler gegen die mediale Wiedergabe der von ihnen angefertigten Tattoos geklagt. Die Tätowierer hatten sich dabei jeweils auf ihr Urheberrecht berufen. In Deutschland ist ein Rechtsstreit über den urheberrechtlichen Schutz von Tätowierungen bisher noch nicht vorgekommen – gleichwohl wäre er aber auch hier denkbar.
Der amerikanische Tattoo-Künstler Matthew Reed hatte dem Basketball-Profi Rasheed Wallace ein im altägyptischen Stil gehaltenes Motiv einer fünfköpfigen Königsfamilie unter einer stilisierten Sonne auf dessen rechten Oberarm tätowiert. Im Jahr 2005, anlässlich einer Werbesendung für den Sportartikelhersteller Nike, präsentierte der NBA-Spieler der Fernsehkamera seine Tätowierung in einer bildschirmausfüllenden Nahaufnahme und beschrieb die Darstellung sowie deren Bedeutung. Der Beitrag wurde sowohl im US-Fernsehen als auch auf der Internetseite von Nike gezeigt. Reed verklagte daraufhin Wallace, Nike und deren Werbeagentur wegen Verletzung seiner Urheberrechte an dem Tattoo. Letztendlich wurde der Rechtsstreit durch eine vertrauliche außergerichtliche Einigung der Beteiligten beigelegt.
Im Jahr 2011 erhob der Tatoo-Künstler Victor Whitmill unmittelbar vor dem Filmstart der Komödie „Hangover 2“ Klage gegen das produzierende Filmstudio Warner Bros. Whitmill hatte seinerzeit ein archaisches Kriegssymbol an der linken Schläfe von Schwergewichtsboxer Mike Tyson gestochen. Diese Gesichtstätowierung wird im Film parodiert: Einer der Hauptdarsteller erwacht ohne jegliche Erinnerung an die vergangene Nacht in einem fremden Hotelzimmer mit starken Schmerzen an seiner linken Schläfe. Er kann sich nicht erklären, woher diese stammen, bis er in den Spiegel schaut und zu seinem Entsetzen eine Gesichtstätowierung, identisch mit der von Tyson, bemerkt. Das Filmstudio beabsichtigte ein Foto des tätowierten Hauptdarstellers aus dieser Szene auf Filmplakate und DVD-Cover zu drucken. Hiergegen wandte sich Whitmill unter Berufung auf seine Urheberrechte an der Tätowierung. Auch hier haben die Parteien einen geheimen Vergleich geschlossen.
Zurzeit wehrt sich der Tattoo-Künstler Stephen Allen gegen die Abbildung des NFL-Spielers Ricky Williams auf dem Spielecover des vom Spielehersteller Electronic Arts publizierten Computerspiels „NFL Street“. Allen hatte dem Football-Spieler auf dessen rechten Oberarm im Jahr 2003 ein Tattoo gestochen. Auch er beruft sich auf seine Urheberrechte an diesem und macht eine von ihm nicht genehmigte Vervielfältigung und Verbreitung geltend.
Deutsche Gerichte haben sich mit Tätowierungen bisher nur steuer- und sozialversicherungsrechtlich beschäftigt:
Der Bundesfinanzhof (BFH) befasste sich 1998 mit Tätowierern in Zusammenhang mit der Frage, ob deren Leistung mit dem allgemeinen (§ 12 Abs.1 UStG) oder dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG) zu besteuern sei. Der BFH stelle dabei fest, dass dahinstehen könne, ob ein Tätowierer durch das Aufbringen der Tätowierung ein Werk der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) schaffe und insoweit Urheberrechte erwerbe. Selbst wenn dies der Fall sei, hätte er seinen Leistungsempfängern an diesen jedenfalls keine weiteren Nutzungsrechte eingeräumt.
2007 entschied das Bundessozialgericht (BSG), dass die Tätigkeit des Tätowierers zwar trotz seiner künstlerischen Komponente vorwiegend eine handwerkliche Tätigkeit darstelle, da ihr Schwerpunkt auf manuell-technischen Fähigkeiten liege. Deshalb könne das Tätowieren nicht der bildenden Kunst zugeordnet werden. Dies habe zur Folge, dass Tätowierer keine Künstler im Sinne von § 2 KSVG und somit nicht in der Künstlersozialkasse versicherungspflichtig seien.
Andere Rechtsstreitigkeiten, die sich mit dem urheberrechtlichen Schutz von Tätowierungen sowie den daraus resultierenden weitergehenden Verwertungsrechten auseinandersetzen, sind hierzulande bisher nicht bekannt.
Gleichwohl können Tätowierungen nach deutschem Urheberrecht geschützt sein, und zwar dann, wenn das Motiv eine gewisse Gestaltungshöhe und Individualität aufweist. Sofern es sich nicht um ganz banale Gestaltungen oder allgemeine Motive handelt, wie z.B. einfache Sternchen, wird eine solche individuelle Gestaltung im jeweiligen Tattoo zu erkennen sein. Folglich wird ein Tattoo in der Regel urheberrechtlichen Schutz genießen und dem Tätowierer werden als dessen Urheber alle damit verbundenen Verwertungsrechte zustehen. Zu den urheberrechtlichen Verwertungsrechten zählen u.a. das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung, wie es etwa durch das Fotografieren des Tattoos geschieht. Dies bedeutet, dass die Fotografie des Tattoos und deren anschließende Verbreitung der Zustimmung des Urhebers bedürfen.
Teilweise wird zwar vertreten, dass mit Anfertigung und Bezahlung des Tattoos stillschweigend ein Nutzungsrecht seitens des Tätowierers eingeräumt werde, so dass auch ein Fotografieren und Verbreiten möglich sein soll. Schließlich griffen andernfalls die urheberrechtlichen Ansprüche des Tätowierers zu stark in das Persönlichkeitsrecht des Tattoo-Trägers ein, weil dieser niemals Fotos ohne Zustimmung des Tätowierers machen könnte. Problematisch hierbei ist jedoch, dass Tattoo-Träger bzw. Fotograf die Einräumung eines solchen Nutzungsrechts im Streitfalle beweisen müssen, was mangels eindeutiger schriftlicher Vereinbarung schwierig sein könnte.
Es empfiehlt sich daher als Fotograf von tätowierten Modellen, entweder neben dem Einverständnis des Modells auch das des Tätowierers einzuholen oder alternativ – mangels Einverständnis des Tätowierers – das Tattoo zu retuschieren.