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Der neue Mindestlohn: Auch für Praktikanten?

01.03.2015

veröffentlicht in Profifoto – Magazin für professionelle Fotografie – 3/2015:

Am 01.01.2015 ist das Mindestlohngesetz (MiloG) in Kraft getreten. Damit gilt erstmals in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von € 8,50. Auch Praktikanten können in bestimmten Fällen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns haben. Fotografen, die Praktikanten beschäftigen, sollten hierauf vorbereitet sein.

„Generation Praktikum“ steht seit vielen Jahren als Synonym für junge Akademiker, die sich nach Studienabschluss  auf der Suche nach einem Job von einem Praktikum zum nächsten hangeln. Sie absolvieren schlecht- oder unbezahlte Praktika mit fehlender sozialer Absicherung, Umgehungs- und Kettenverträgen bis hin zur Ausbeutung als vollwertige Arbeitskraft – nur zur Überbrückung einer vermeintlichen Lücke in ihrem Lebenslauf oder in der Hoffnung auf eine Festanstellung. Diese Situation hat manch ein Unternehmen ausgenutzt, hatte es doch nie die Absicht, einen regulären Arbeitsplatz für seinen Praktikanten einzurichten.

Der Gesetzgeber wollte diesem Missstand entgegentreten und der „Generation Praktikum“ ein Ende setzen: mit dem Inkrafttreten des MiloG können nun auch Praktikanten unter bestimmten Voraussetzungen die Vergütung ihrer Tätigkeit von ihrem Ausbilder verlangen.

Auch Fotografen beschäftigen häufig Praktikanten, etwa weil sie jungen Menschen vor einem Studium Hilfe zur beruflichen Orientierung und Einblick in den Fotografenberuf geben wollen. Zudem sehen die Studienordnungen regelmäßig  vor, dass während des Fotografie-Studiums Praktika zu absolvieren sind. Auch nach dem Studium mag der ein oder andere Fotografie-Absolvent sich über ein Praktikum den Einstieg in eine Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Fotografen erhoffen.

Auch Fotografen sollten sich also aufgrund des neuen Gesetzes zur aufmerksamen Prüfung bei der Einstellung und Beschäftigung  von Praktikanten aufgerufen fühlen.

Aber was versteht man überhaupt unter einem Praktikanten? – Praktikant ist, wer – unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses – für eine begrenzte Zeit zu Bildungszwecken in die Arbeitsabläufe des Unternehmens eingebunden wird, um so praktische Kenntnisse und Erfahrungen zur Vorbereitung auf einen Beruf zu erwerben, ohne dabei eine Berufsausbildung zu durchlaufen oder ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

Neuerdings haben nun auch Praktikanten gem. § 22 Abs. 1 MiLoG grundsätzlich einen Anspruch auf die Zahlung des Mindestlohns. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bilden insbesondere die folgenden Praktikumsarten, für die kein Mindestlohn zu zahlen ist:

Pflichtpraktika, die verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie geleistet werden.

Freiwillige Praktika, die nicht länger als drei Monate dauern und der Berufsorientierung dienen (Orientierungspraktika) oder ausbildungs-/studienbegleitend oder zur Aufnahme eines Studiums abgelegt werden.

Praktika im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung  nach dem SGB III und Maßnahmen einer Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz.

Praktika, die von Unter-18-Jährigen ohne Berufsausbildung geleistet werden. Hier ist kein Mindestlohn zu zahlen, weil für Schulabgänger kein Anreiz geschaffen werden soll, lieber dauerhaft einen ungelernten Job als eine Ausbildung zu machen.

Die Voraussetzungen für eine Mindestlohnausnahme müssen zu Beginn des Praktikums vorliegen.

Fotografen sollten auch beachten, dass sie bei der Beschäftigung eines Praktikanten die Beweislast dafür tragen, dass dieser ausnahmsweise keinen Mindestlohn erhält. Um vorbereitet zu sein, sollte sich der Fotograf daher die Bescheinigung für das Absolvieren einer Ausbildung (z.B. eine Studienbescheinigung) und die entsprechende Bestimmung der Praktikumspflicht (z.B. Studienordnung) von seinem Praktikanten vorlegen lassen und gut in seinen Unterlagen aufbewahren.

Alle anderen Praktikumsverhältnisse sind mit dem Mindestlohn ab dem ersten Praktikumstag zu vergüten, also insbesondere:

Freiwillige Praktika, die zur Orientierung bei der Berufs- und Studienwahl dienen und länger als drei Monate absolviert werden.

Freiwillige Praktika begleitend zum Studium oder zur Ausbildung mit einer Dauer von mehr als drei Monaten.

Freiwillige Praktika begleitend zum Studium oder zur Ausbildung, wenn bereits ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat.

Praktika nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem Studienabschluss außerhalb einer Ausbildung oder eines Studiums.

Relevant dürften auch sog. „Altverträge“ sein: hat ein Praktikum schon vor 2015 begonnen und dauert es insgesamt länger als drei Monate, dürfte der Mindestlohn für die Zeit ab dem 01.01.2015 zu zahlen sein. Denn dass MiLoG klammert solche „Altverträge“ nicht aus und sieht auch keine Übergangsregelung für solche Fälle vor.

Wer einen Praktikanten beschäftigt, der Anspruch auf den Mindestlohn hat, sollte zudem wissen, dass dem Praktikanten vor Aufnahme des Praktikums ein schriftlicher Praktikumsvertrag mit allen wesentlichen Vertragsbedingungen auszuhändigen ist. Was dieser Vertrag beinhalten muss, ergibt sich aus § 2 Nachweisgesetz (NachwG): Name und Anschrift der Vertragsparteien, Lern- und Ausbildungsziele des Praktikums, Beginn und Dauer des Praktikums, Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit, Zahlung und Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs und Hinweise auf eventuelle Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.

Fazit: Fotografen, die schon vor dem 01.01.2015 einen Praktikanten beschäftigen, sollten klären, ob dieser ggf. Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns hat. Will ein Fotograf zukünftig einen Praktikanten einstellen, sollte er die Situation besonders aufmerksam prüfen: Zweck und Dauer des Praktikums sind zu hinterfragen. Bescheinigungen und Bestimmungen über die Pflicht zum Absolvieren eines solchen Praktikums sollten nachgewiesen und archiviert werden. Womöglich muss sogar ein schriftlicher Praktikumsvertrag her und Mindestlohn gezahlt werden.

Schließlich sollte der Fotograf die jeweilige Praktikumssituation auch im eigenen Interesse prüfen. Denn die Einhaltung des Gesetzes wird durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FSK) der Bundeszollverwaltung kontrolliert. Bei Rechtsverletzungen drohen Bußgelder von bis zu € 500.000.

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