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Fotografieren als Straftat: Der neue § 201a Strafgesetzbuch (StGB)

01.05.2015

veröffentlicht in Profifoto – Magazin für professionelle Fotografie – 5/2015

Am 27.01.2015 ist der neu geregelte § 201a StGB in Kraft getreten. Dies hat bei Fotografen für viel Aufregung und Unsicherheit gesorgt. Viele befürchten schon beim Fotografieren mit einem Bein im Knast zu stehen. Jedoch ist der komplexe Aufbau  dieser Norm differenziert zu betrachten und abzuwarten, wie die Gerichte das Gesetz anwenden.

Wie bisher auch, macht sich derjenige strafbar, der „von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt“ (§ 201a Abs. 1 Nr. 1  StGB).

Damit wird das Fotografieren einer Person ohne deren Einverständnis bestraft, die sich in einem Privatraum aufhält und sich einer intimen Situation befindet, also z.B. nackt ist oder Sex hat. Auch sonstige höchstpersönliche Momente der privaten Lebensführung, wie Krankheit, Schmerz oder Tod zählen dazu. Neutrale Handlungen, wie schlafen, essen, arbeiten oder lesen, können – müssen aber nicht zum höchstpersönlichen Lebensbereich zählen. Neben der Wohnung nennt das Gesetz gegen Einblicke besonders geschützter Räume, also Orte, von denen man davon ausgehen kann, zurückgezogen und für sich zu sein, wie z.B. Umkleidekabinen oder Toiletten. Hier Einblick zu nehmen, empfände jeder als extremen Tabubruch. Dem Fotografieren ist auch das „übertragen“ gleichgestellt, also z.B. das Senden des Bildes mit einer Webcam ins Internet.

Strafbar macht sich neuerdings, wer „eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt“ (§ 201a Abs. 1 Nr.  2 StGB).

Hier ist der Abgebildete – egal an welchem Ort – in einer hilflosen Lage. Er ist bewusst-, wehr, macht- oder schutzlos, ausgeliefert oder nicht mehr Herr seiner Sinne. Zu denken ist etwa an einen komatös Betrunkenen auf der Partymeile, ein Unfallopfer bewusstlos aus dem verunfallten Pkw heraushängend, ein am Boden liegendes, verprügeltes Schulkind oder ein berauschter, apathischer Drogensüchtiger auf dem  Bahnhofsvorplatz. Bereits das Fotografieren solcher Personen ist  rechtswidrig, wenn gerade diese „Hilflosigkeit zur Schau“ gestellt wird. Hieraus ist zu lesen, dass das Fotografieren aus negativen Handlungsmotiven heraus erfolgt, die Kamera wird also z.B. aus Gehässigkeit oder Sensationslust draufgehalten, wo es eigentlich geschmack- und pietätslos erscheint. Der Abgebildete wird durch die Aufnahme ebenfalls in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. Soweit Dritte aber einen Unfall fotografieren, um später Beweise zu haben, dürften sie sich wohl nicht strafbar machen. Hingegen kann die „Streetphotography“ grenzwertig sein, wenn etwa ein Obdachloser bewusstlos auf der Parkbank im Delirium liegt.

Wie bisher stellt der Gesetzgeber nicht nur das Anfertigen solcher Aufnahmen unter Strafe, sondern auch, das Gebrauchen und das Zugänglichmachen gegenüber Dritten (§ 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB). Hiermit ist gemeint, dass der Fotograf entweder selbst das Bild anhand von technischen Möglichkeiten nutzt oder anderen Personen Kenntnis von dem Bild verschafft, es ihnen also z.B. zeigt oder weitergibt.

Auch wer eine „eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,“ (§ 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB) macht sich strafbar. Diese Regelung lehnt an die alte Fassung des § 201a Abs. 3 StGB an und bezieht nun Abbildungen von Personen in hilfloser Lage ein. Der in einer intimen Situation Abgebildete hat zwar sein Einverständnis zum Ablichten gegeben. Jedoch wird das Bild sodann – ohne Einverständnis des Abgebildeten – anderen Personen gezeigt oder weitergegeben. Typisch sind also die Zweckentfremdung der Aufnahme und die Eröffnung eines neuen Adressatenkreises gegen den Willen des Abgebildeten. Denkbar ist hier: Der Handy-Hacker klaut Nacktfotos des Opfers von dessen Smartphone und stellt diese ins Internet; der verlassene, gekränkte Ex-Freund verteilt aus Rache Flugblätter, die ein Nacktfoto seiner Ex-Freundin zeigen.

Neu ist der Tatbestand der Reputationsgefährdung: „Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht.“ (§ 201 a Abs. 2 StGB)

Nicht das Anfertigen, wohl aber das Zeigen, Weitergeben, Verteilen etc. eines Bildnisses ist strafbar, wenn dies ohne das Einverständnis des Abgebildeten passiert und es ihn z.B. in indiskreter, peinlicher oder kompromittierender Pose zeigt. Allein die Gefahr, dass der Ruf und die Ehre des Abgebildeten durch die Abbildung leiden könnten, reicht für die Strafbarkeit aus. Fraglich ist aber, unter welchen Maßstäben und Kriterien eine solche Ehrverletzung anzunehmen ist. Nach dem Referentenentwurf soll diese „Beurteilung durch einen durchschnittlichen Betrachter“ erfolgen. Aber reicht es bereits aus, dass der Abgebildete sich unvorteilhaft dargestellt findet? Was ist mit Prominenten, die durch flegelhaftes Verhalten auffallen und vielleicht bewusst provozieren wollen – nach dem Motto „bad publicity is better than no publicity“?

Strafbar macht sich neuerdings,“ wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, (1.) herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder (2.) sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.“( § 201 a Abs. 3 StGB) Diese Gesetzesverschärfung könnte Auswirkungen auf die Modefotografie haben, soweit minderjährige Modelle unbekleidet fotografiert und deren Fotos vermarktet werden.

Um nicht alle Fotografen zu kriminalisieren, kann – mit Ausnahme von Fotografien, die unter § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB fallen – das Fotografieren und Verbreiten der hier typisierten Aufnahmen mit dem  Kunst-, Wissenschaft- und Medienprivileg gerechtfertigt werden (§ 201a Abs.4  StGB: „Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.“) Hier ist wohl eine Interessenabwägung zwischen Abgebildetem und Täter intendiert.

Da die Tat ein Antragsdelikt ist, wird sie gem. § 205 StGB nur auf den Strafantrag des Abgebildeten hin verfolgt, es sei denn die Staatsanwaltschaft hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

Fazit: Das Anfertigen und Verbreiten von Fotos ist strafrechtlich erheblich verschärft worden. Fotografen können sich – im Gegensatz zu Privatpersonen, die aus Sensationslust und Spaß knipsen  – hier auf das Kunst- und Medienprivileg berufen. Allerdings ist das Festhalten und Verbreiten des einzelnen Bildes immer einer Interessenabwägung zu unterziehen. Hier und auch bei der Gesetzesanwendung des § 201a StGB insgesamt darf man gespannt sein, wie die Gerichte im Einzelfall urteilen werden.

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